Samstag, 6. Oktober 2007

erster “Arzt”termin

Den “Arzt” schreibe ich in Anführungsstrichen, weil ich keinen Arzt gesehen habe.

Ich hatte mich zum Gesundheits-Check angemeldet. Bei einem Allgemeinmediziner, der mir empfohlen wurde, weil er auch homöopathisch arbeitet und sich ziemlich viel Zeit für die Patienten nimmt.

Schlange stehen. Karte abgeben, Telefonnummer aufschreiben. “Sie kriegen nachher noch einen Anamnesebogen, da schreiben Sie bitte die Telefonnummer nochmal drauf. 10 Euro Praxisgebühr bitte.” “Ähm, ich dachte, bei der Vorsorge brauche ich keine Praxisgebühr bezahlen???” “Doch, der Doktor sagt Ihnen das dann alles.”

Aha. Mit der Karte zahlen ging nicht, also nochmal los, Geld holen. Als ich wiederkam und die 10 Euro abgab, bekam ich eine Quittung und ca. 5 Seiten Anamnesbogen. So Multiple-Choice-Aufgaben lieb ich ja über alles, daher war das keine große Hürde.

Patienten kommen und gehen: “Ich brauche noch eine Überweisung zum Urologen, zum Kardiologen …” “Ok, machen wir alles fertig.” “Haben Sie schon die Grippeschutzimpfung? Noch einmal Grippe in Kabine 4 …” “Brauchen Sie noch Tabletten?” “Wir machen dann einen Termin für nächste Woche.” Welche Kinderkrankheiten hatte ich? Keine Ahnung, da war was mit Röteln. Ziegenpeter. Ist das Mumps? Keine Ahnung, vorsichtshalber kreuze ich “Weiß nicht” an.

Vorerkrankungen. Nein, nein, nein, nein. Bei Hautkrankheiten “ich weiß nicht”. Unter “Weiteres” überlege ich kurz. Schreib ich oder schreib ich nicht? Ich schreibe. Meine Hand will nicht wirklich, zittert, schreibt dann doch mit sehr wackligen und kleinen Buchstaben Hirsutismus und ein Fragezeichen. Ich bin erleichtert, dass es raus ist. Dass ich es nicht mehr verbergen kann und auch nicht mehr muss. Es steht auf dem Papier, wenn ich mich beim Gespräch nicht mehr trauen sollte, es anzusprechen, ist es zumindest nicht mehr auszuradieren und der Dok müsste mich darauf ansprechen. Und wenn er das nicht tut, sieht er mich nicht wieder ;). Erleichterung ist das überwiegende Gefühl.

Ok, alle Papiere ausgefüllt. Wieder Schlange stehen an der Theke, um sie abzugeben. “Ok, danke, setzen Sie sich wieder. Sie werden dann aufgerufen.” Minuten später: “Frau L. kommen Sie bitte!” Ich werde in ein 3 qm “großes” fensterloses Zimmer gebracht, in dem eine Liege, ein Ergometer, ein Computer, ein Stuhl und eine Waage steht. “Machen Sie sich obenrum frei. Wir machen das EKG.” Aha, schön zu wissen. Ich ziehe mich aus, soll mich hinlegen, kriege ca. 10 Gummidinger mit Kabel an Brust, Arme und Füße geklebt. Frage mich, wie lange das jetzt dauert. Was dann noch alles kommt. Kein Mensch hat mir gesagt, woraus diese Untersuchung besteht. Gut, ich hab mich vorab informiert, auf der AOK-Seite ist detailliert beschrieben, was diese Untersuchung “Check-up 35″ beinhaltet:

Beim Check-up 35 wird der Versicherte zunächst befragt - zu persönlichen Verhaltensweisen, die seine Gesundheit betreffen, zu Vorerkrankungen in der Familie sowie zu gesundheitlichen Bedingungen an seinem Arbeitsplatz und im privaten Umfeld. So erstellt der Arzt ein persönliches Risikoprofil.

Piep-piep-piep. EKG ist fertig. “Sie können sich wieder anziehen. Ihnen wird jetzt noch Blut abgenommen. Gehen Sie noch zum Doktor rein?” “Ich hab keine Ahnung.” “Ok, ich frage dann nochmal.” Beim Anziehen frage ich, ob man auf dem EKG schon was sehen kann. Antwort: “Das sieht alles ganz ok aus.” Butdruckmessung 70/120, also auch ok.
Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich statt “Ich hab keine Ahnung” nicht “Aber ich hoffe doch sehr!” gesagt hab. Natürlich will ich den Arzt sehen, wenn ich zu einer Untersuchung komme, 10 Euro bezahle und einen Haufen sehr vertrauliche Daten abgebe.
Einige Minuten später werden mir 2 Kanülen Blut abgenommen, ich bekomme ein Plastikgefäß zum Reinpinkeln. “Sie müssen noch einen Termin ausmachen, um die Ergebnisse zu besprechen.” Aha. Den Arzt sehe ich an diesem Tag nicht mehr. Ich will’s nicht so recht wahrhaben, aber ich bin frustriert.
Ich stell mir vor, wie es wäre, in eine Praxis zu kommen und mich willkommen zu fühlen. Dem Arzt / Heiler / Therapeuten in die Augen schauen, sehen, dass er/sie mich wahrnimmt, ernstnimmt, mich dabei unterstützen will, selbst die Verantwortung für meine Gesundheit zu übernehmen.
Bisher war für mich ein Heilpraktikerbesuch mit 1 oder 2 Stunden Anamnese im persönlichen Gespräch gefühlsmäßig eher überflüssiger und teurer Luxus. Ab sofort ist es das nicht mehr. Ich werde mich auf die Suche nach Menschen begeben, die sich mit Gesundheitsfragen auskennen, die zuhören und die mich als ganze, mit meiner Umwelt verbundene Person wahrnehmen.

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