Mittwoch, 26. März 2008

Des Kaisers neue Kleider

Freitag vor Ostern. Der Besuch in meiner Heimatstadt steht bevor. Treffen mit der Familie, voraussichtlich auch mit einigen Verwandten, Nachbarn, ehemaligen Schulkameraden.
Sie kannten mich in den letzten Jahren nur epiliert. Wenn ich mir die Begegnungen vorstelle, fühle ich mich sehr verletzlich. Verletzlich? Hm, unsicher. Wovor habe ich Angst? Davor, dass jemand wohlmeinend zu mir kommt und mir sagt: "Du hast ja einen Bart. Das sieht aber gar nicht schön aus. Das musst du dir wegmachen." Warum habe ich davor Angst? Was kann mir schlimmstenfalls passieren?
Mit allem, was ich in den letzten Monaten für mich geklärt habe, kann mir GAR NICHTS passieren.
Ich kann mir solche Kommentare zu Herzen nehmen. Ich kann sie aber genauso gut abprallen lassen und mich an meine eigenen Wahrheiten erinnern:

* die Welt der Männer ist nicht haarscharf von der Welt der Frauen getrennt, es gibt viele Zwischentöne, Männer ohne Körperhaare, XY-Frauen, Hermaphroditen, Männer, die weiblicher aussehen, und Frauen, die männlicher aussehen, und eben Frauen mit Bart

* ich bin gut so, wie ich bin, mein Körper ist ein Wunderwerk, ich kann das Leben in diesem Körper genießen

* wenn jemand mein Aussehen problematisch finden will, kann dieser Mensch auch Lösungen für SEIN Problem finden. Das ist nicht meine Aufgabe und schon gar nicht muss ich mir Schmerzen zufügen, damit ich bei diesem Menschen nicht anecke.

* es gibt genügend Menschen, die mich so mögen, wie ich bin

Meine Tochter hat es dann am gemeinschaftlichen Mittagstisch auf den Punkt gebracht. Alle sitzen und essen, und plötzlich sagt sie: "Halloooo. Hier ist eine Frau mit Schnurrbart!" Essen und Unterhaltung gehen weiter, als hätte es diese kleine Unterbrechung nicht gegeben.
Mich hat in der ganzen Zeit kein Mensch auf das Nichtepilieren angesprochen.
Ich selbst habe mich irgendwie stärker und harmonischer gefühlt als sonst. Ich habe auch bewusst kein Tuch um den Hals getragen und habe mich nicht versteckt. Fühlt sich gut an.

Übermorgen sind wir zu einer Feier eingeladen, wo ich noch sehr zweifle, ob ich vorher zupfe oder nicht. Bisher kann ich mich nicht entscheiden. Unbewusst sind da einige Ängste. Wenn ich mir die Situation aber konkret vorstelle, verfliegen die Ängste, und ich fühle mich wieder sehr viel sicherer, wenn ich zu mir stehe, so wie ich bin.

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